Die Orgel der Auenkirche ist zwar eine der größten Orgeln Berlins, stellt sich aber derzeit in einem technisch verheerenden und klanglich äußerst disparaten Zustand dar. Die zahlreichen Umbauten und Erweiterungen, zu denen es in den 120 Jahren seit dem Bau der Orgel kam, haben in Klang und Technik tiefe Spuren hinterlassen – leider nicht immer zum Vorteil der Orgel. Das ursprünglich spätromantische Klangbild ist nur noch zu erahnen, in manchen Bereichen sogar gänzlich entstellt.
2015 begannen deshalb Überlegungen, wie die verschlissene Technik überarbeitet werden kann. Zudem stellte sich die grundsätzliche und eigentlich entscheidende Frage, wie mit dem gewachsenen Zustand der Orgel umgegangen werden soll. Eine hochrangig besetzte Expertenkommission hat sich seit 2017 eingehend mit all diesen Fragen und Problemen beschäftigt und in Zusammenarbeit mit dem Kantor der Auenkirche ein umfassendes Konzept zur denkmalgerechten Restaurierung erarbeitet.
Expertenkommission:
Oliver Horlitz
Orgelsachverständiger der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Prof. Dr. Michael G. Kaufmann
Musikwissenschaftler und bundesweit tätiger Orgelsachverständiger
Hans Reuschel
Orgelbaumeister, Planungsbüro für den Orgelbau
Die Leitidee: Mit der Restaurierung wird nicht ein bestimmter historischer Zustand der Auenorgel wiederhergestellt – welcher denn auch, was wäre "original"? Vielmehr orientiert sich die Restaurierung allgemein am Klangideal Mitte der 1920er Jahre. Spätere Zusätze, die sich bewährt haben, bleiben erhalten und werden klanglich so modifiziert, dass sie sich organisch in das wiedererstandene spätromantische Klangbild einfügen. In späteren Jahren verloren gegangene Register werden rekonstruiert. Außerdem erhält die Disposition eine behutsame Ergänzung im Stil jener Zeit: Sieben Register eines neuen Auxiliarwerks sollen klangliche Lücken schließen.
Die Technik wird im Zuge der Restaurierung entweder denkmalgerecht saniert oder aber durch neue, computergestützte Elektronik ergänzt. Die Auenorgel bekommt einen neuen Spieltisch, der optisch historischen Spieltischen entspricht, aber auch komplett neue Funktionen umfasst, die allen Anforderungen an eine Orgel des 21. Jahrhunderts gerecht werden.
Im Einzelnen stehen folgende Arbeiten an:
Geplante Um- und Neubauten im Inneren der Auenorgel
© Hans-Jürgen Reuschel
Hauptwerk | Schwellwerk 1 | Schwellwerk 2 | Positiv | Auxiliarwerk | Pedal |
Principal 16' | Bordun 16' | Salicional 16' | Holzgedackt 8' | Solo-Principal 8' | Kontrabass 32' ** |
Principal 8' | Minor Principal 8' | Gedeckt 16' | Quintade 8' | Solo-Gambe 8' | Untersatz 32' *** |
Gamba 8' | Viola 8' | Hornprinzipal 8' | Rohrflöte 4' | Jubalflöte 8' | Principalbass 16' |
Hohlflöte 8' | Portunalflöte 8' | Violine 8' | Spitzquinte 2 2/3' | Solo-Bordun 8' | Violon 16' |
Gemshorn 8' | Salicional 8' | Harmonieflöte 8' | Principal 2' | Horn 8' | Subbass 16' |
Dolce 8' | Echo Bordun 8' | Quintatön 8' | Terz 1 3/5' | Physharmonika 16' | Zartbass 16' **** |
Octave 4' | Unda maris 8' | Lieblich Gedeckt 8' | Quinte 1 1/3' | Physharmonika 8' | Salicet 16' **** |
Viola 4' | Praestant 4' | Aeoline 8' | Septime 1 1/7' | Octavbass 8' | |
Rohrflöte 4' | Salicet 4' | Vox coelestis 8' | Scharff IV–V | Bassflöte 8' | |
Quinte 2 2/3' | Flauto traverso 4' | Hornoctave 4' | Rankett 16' | Cello 8' | |
Octave 2' | Quinte 2 2/3' | Violino 4' | Krummhorn 8' | Gedackt 8' | |
Terz 1 3/5' | Blockflöte 2' | Kupferflöte 4' | Röhrenglocken | Octave 4' | |
Mixtur III–V | Terz 1 3/5' | Quinte 2 2/3' | Tremulant | Hohlflöte 4' | |
Tuba 16' | Harm. aeth. III–IV | Flautino 2' | Octave 2' | ||
Trompete 8' | Cor anglais 16' | Terz 1 3/5' | Rauschpfeife III–IV | ||
Trompete 4' | Trompete 8' | Progr. harm. II–V | Mixtur III–IV | ||
Vox humana 8' | Fagott 16' | Posaune 32' *** | |||
Klarinette 8' * | Oboe 8' | Posaune 16' | |||
Tremulant | Fagott 16' **** | ||||
Trompete 8' | |||||
Schalmei 4' | |||||
Kornett 2' |
Zimbelstern
Nachtigall
Koppeln
Sub-/Superoktavkoppeln
Tutti
Crescendowalze
Elektronische Setzeranlage
MIDI-Anschluss
Manualumfänge C bis a3
Pedalumfang C bis f1
* durchschlagend
** C–H akustisch (16' + 10 2/3')
*** Extension, umfasst die Pfeifen C–H
**** Transmission aus Schwellwerk 2
© Hans-Jürgen Reuschel
Nach einem umfangreichen Ausschreibungsverfahren für die Umsetzung dieser Arbeiten fiel die Wahl auf ein seit Jahrzehnten sehr erfolgreiches Orgelbauunternehmen: die Firma Rieger Orgelbau aus Vorarlberg (Österreich). Rieger ist weltweit tätig und kann eine lange Referenzliste herausragender Projekte vorweisen. So hat das Unternehmen 2015 ein außergewöhnliches Instrument in der Pariser Philharmonie neu geschaffen, außerdem 2017 in der Martinskirche Kassel. Mit der Domorgel im Seitenschiff (1991), der fahrbaren Haydn-Orgel (2009) und der 2020 restaurierten Riesenorgel stammen auch alle drei Instrumente im Wiener Stephansdom aus dieser Werkstatt.
Voraussichtlich Ende März 2022 wird Rieger mit den Arbeiten an der Auenorgel beginnen. Die Fertigstellung ist bis Oktober 2023 zu erwarten.
Die Gesamtkosten des Vorhabens belaufen sich auf etwa 1,4 Millionen Euro. Verschiedene Zuwendungsanträge dafür wurden größtenteils bewilligt. So fließen 450.000 Euro Bundesmittel im Rahmen eines Denkmalschutzprogrammes in das Projekt, außerdem 390.000 Euro der Lotto-Stiftung Berlin, 70.000 Euro der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie 49.000 Euro vom Landesdenkmalamt Berlin.
Die Evangelische Auenkirche selbst konnte in den vergangenen Jahren durch Spenden und zwei Erbschaften einen beträchtlichen Eigenanteil für die Restaurierung ansparen. Nun stehen noch etwa 250.000 Euro aus, die zunächst zwischenfinanziert werden und in den nächsten Monaten durch weitere Spenden, beispielsweise auch in Form von Pfeifenpatenschaften, abgelöst werden sollen.
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